Thema: Aufgedeckte Lügen: Mondtau's Geschichte Di Mai 06, 2008 12:27 pm
Seit Beginn von Brendia hatte ich eine Art "Vorgeschichte" von Mondtau im Kopf, die ihre Ziele erklärt. Ich habe die Geschichte nun mal aufgeschrieben - es wurde einfach viiiiiiiel länger, als die paar Gedanken in meinem Kopf waren Falls sich jemand von Euch durch den ganzen Text kämpft, denkt daran: das ist alles Meta-Wissen bzw. ooc-Wissen, das eure Chars nicht haben. Mondtau behauptet, sie wolle in die Höhle um einen Schatz zu finden und hat die Lüge konsequent durchgezogen - bisher.
Aufgedeckte Lügen
Der Tod hatte in Gestalt einer Raubkatze unerwartet und brutal zugeschlagen.
Lilienblüte hatte nach frischem Bärlauch gesucht. Die wohlriechenden Blätter verfeinerten nicht nur jeden Braten, junge Karotten oder wilden Fenchel, sie schmeckten auch roh gekaut, und wenn sie getrocknet waren, konnte man damit einen Tee brauen, der bei einer Erkältung eine schnellere Genesung versprach. Ihre Vorräte waren über den Winter zu Neige gegangen und die Waldfrau war froh, dass die Pflanze nun so früh im Jahr wieder zu spriessen begann. Sie kannte mehrere Plätze und hatte ihre Sammeltasche schon gut gefüllt. Obwohl sie eine vorsichtige und äusserst erfahrene Waldbewohnerin war, geschah ihr an diesem Tag, was im Wald nie geschehen durfte: Sie verlor kurz die Aufmerksamkeit für ihre Umgebung. Nachdem sie noch ein grosses Feld der Pflanze entdeckt hatte, konzentrierte sie sich darauf, die schönsten Blätter zu pflücken und näherte sich so langsam, Schritt für Schritt, ihrem Tod.
Ohne es zu ahnen, war sie zu nah an den Wurfplatz einer Waldleopardin geraten. Das Tier hatte erst vor zwei Tagen geworfen, war entsprechend nervös und empfand die Nähe eines Waldmenschen als Bedrohung für ihre neugeborenen Jungen. So tat die Wildkatze, was eine Mutter in diesem Fall tut: Sie griff schnell und unerbittlich an. Ihre Krallen und Zähne hatten eine tödliche Präzision. Die Waldfrau wehrte sich. Sie schaffte es zwar nicht, die Leopardin zu erlegen (was, nur am Rande erwähnt, immerhin deren Jungtieren das Leben rettete), aber zumindest gelang ihr die Flucht. Ihre Verletzungen waren aber so schwer, dass dieser Tag zu ihrem letzten in dieser Welt wurde.
Lilienblüte hatte es irgendwie noch geschafft, sich in die Höhle zu schleppen und sie war unendlich dankbar, dass kurz darauf auch ihre Tochter von einem ihrer Streifzüge zurückgekommen war, zusammen mit dem mächtigen Wolf, der stets an ihrer Seite war.
Entsetzt hatte Mondtau die schweren Wunden gesehen, und beobachtet, wie das Leben allmählich den Körper ihrer Mutter verliess – so, wie eine kleine Lache im Sommer durch die Sonne ausgetrocknet wurde, bis sie ganz verschwunden war und nur noch der rissige Boden daran erinnerte. Sie hatte Heilkräuter auf die Wunden gelegt, sie verbunden und einen kräftigenden Tee aufgebraut, aber sie hatte zu diesem Zeitpunkt bereits gewusst, dass alles vergebens sein würde. Ebenso wusste es ihre Mutter. Sie liess die Tochter jedoch gewähren, weil sie ahnte, dass es ihr half, noch etwas für sie tun zu können, auch wenn es sinnlos war. Kurz wurde sie Panik ergriffen, als sie spürte, dass der Übertritt in das Land ihrer Ahnen nicht mehr fern war.
„Mondtau, Liebes, komm her“. Ihre Stimme war schwach und sie hustete immer wieder hellrotes Blut. Mondtau wandte sich vom Wasserkessel mit den Blättern ab und kniete sich neben die Lagerstätte ihrer Mutter. Tränen liefen ihr über das Gesicht, als sie die kalte Hand ihrer Mutter ergriff.
„Du weißt, ich werde sterben. Es ist zu früh… aber wir können es nicht ändern. Es ist der Wille von Mutter Sonne und Vater Wind. Und der einer Katze.“ Sie versuchte zu lächeln, hustete, spuckte Blut und rang nach Luft. „Ich muss dir etwas sagen, was ich dir seit längerem eigentlich schon hätte erzählen sollen…der Mut hat mir leider bisher gefehlt…“ Wieder Husten. Sie schloss die Augen. Mondtau konnte kaum zusehen, wie sich ihre Mutter quälte. „Sei still, schlaf ein wenig und danach geht es dir besser…“. Sie wusste, dass es nicht stimmte.
„Nein, Kind. Hör jetzt einfach zu.“ Immer wieder durch Hustenanfälle unterbrochen, erzählte sie ihrer Tochter, wie sie sie über ihren Vater belogen hatte. Der Vater war vor zwölf Jahren, als Mondtau gerade mal fünf Sommer alt war, fortgegangen und nicht wieder zurück gekehrt. „Du weißt, dein Vater gehörte nicht dem Volk der Waldmenschen an, wie ich. Er war ein Stadtmensch und er war Magier. Weil er sich nie ganz mit der einfachen und wenig abenteuerlustigen Lebenshaltung meines Volkes anfreunden konnten, lebten wir auch hier, ausserhalb des Dorfes. Mein Clan hatte kein Verständnis für seine Faszination an der Magie und verstand auch nicht, weshalb ich mein Leben mit ihm teilen wollte. Aber ich liebte ihn und war bereit, alles zu tun für ihn. Aber Domar war viel zu neugierig, um sich mit dem Leben im Wald wirklich abzufinden, auch wenn er es mir zu liebe versuchte. Doch seine Wissbegierde liess ihm keine Ruhe und so begab er sich in jenem Frühling auf eine Reise, von der er nicht wiederkehrte… “
Mondtau runzelte verwirrt die Stirn. „Mutter – ich weiss das doch alles – verschwende nicht deine Kräfte, mir von seinem Tod zu erzählen. Ich weiss, dass er in jenem Frühjahr, als wegen der Schneeschmelze Hochwasser war, in den Fluss gestürzt ist.“ Sie erinnerte, wie sie wochenlang auf die Rückkehr des Vaters gewartet hatten, bis ein Zwerg sie in ihrer Höhle besucht hatte. Die Mutter hatte Mondtau weggeschickt und sich alleine mit dem Zwergen unterhalten. Nachdem er wieder weg war, hatte Lilienblüte ihrer Tochter erzählt, dass der Zwerg ihr vom Tod ihres Vaters berichtet hatte. In Mondtau’s verschwommenen Erinnerung war der Vater ein grosser, starker Mann mit dröhnendem Lachen und Händen, die sie in die Höhe warfen und immer wieder sicher auffingen. Und sie erinnerte sich, wie er ihr kleine Zauber vorgeführt hatte – er zeigte auf ein Blatt und es wurde von einer Eishülle eingeschlossen. Sie hatte ihn heiss geliebt. Es hatte lange gedauert, bis sie akzeptierte, dass er nicht wiederkommen würde.
„Mondtau, Dein Vater kam nicht im Fluss um’s Leben. Es war eine Lüge, die ich dir erzählte, damit du dir nicht sinnlose Hoffnungen machst, er würde wiederkommen. Der Zwerg – er hat mir etwas ganz anderes berichtet. Und mir Dinge gegeben…“ Während die Mutter sich kurz unterbrach, die Augen schloss und nach den verbliebenen Kräften suchte, starrte Mondtau sie entgeistert an. War die Mutter schon so sehr verwirrt wegen des Blutverlustes? Lilienblüte schlug die Augen wieder auf und sah Mondtau eindringlich an. „Du wirst mir glauben, wenn du die Papiere siehst. Der Zwerg übergab mir einen Brief, den Teil einer Karte und eine Beschreibung dazu. Er hatte diese Sachen von einem Mann seines Volkes bekommen, der ihn gebeten hatte, diese Papiere mir zu bringen. Jener andere Zwerg… er hatte deinen Vater auf seiner Reise begleitet. Dein Vater war nicht nur zu einem Jagdausflug aufgebrochen. Die Suche nach Wissen hatte ihn fortgetrieben. Er wollte wiederkommen, aber es kam anders…“
Das Wasser im Kessel kochte inzwischen längst, doch Mondtau kümmerte sich nicht darum. Sprachlos hörte sie ihrer Mutter zu.
„Ich kann dir nicht mehr alles erzählen, aber lies den Brief des Zwergen, darin ist alles beschrieben, was geschehen ist. Ich hatte nie den Mut, nach deinem Vater zu suchen und versuchen, ihm zu helfen, denn ich musste ja auch für dich da sein. Ich hatte versucht, Männer aus meinem Volk dazu zu überreden, aber sie weigerten sich. Und ich verstehe es – denn solche Dinge liegen den Waldmenschen einfach nicht. Dennoch zog ich nie mehr zum Clan zurück, weil ich ihre Gleichgültigkeit nie ganz verziehen habe.“
Wieder rang die Frau auf dem Laublager nach Luft. Haut und Lippen waren aschfahl und sie zitterte vor Kälte trotz dem weichen Fell, mit dem sie zugedeckt war.
„Ich bitte dich nicht darum, nach ihm zu suchen. Aber ich kann dich auch nicht davon abhalten, wenn du es tun möchtest. Lieber wäre es mir, wenn du zum Clan ziehen und dort einen jungen Mann ehelichen würdest. Aber ich weiss, dass du viel vom Blut deines Vaters geerbt hast und deshalb wohl nie wirklich zufrieden wärst mit diesem Leben.“
Mondtau nutzte einen weiteren Hustenanfall, um ihre Mutter zu unterbrechen. „Du meinst – Vater ist nicht tot? Willst du mir das sagen? Wo ist er? Warum ist er nicht zu uns zurückgehkehrt?!“
„Liebes…“ die Stimme war nun so schwach, dass sich Mondtau noch näher über die Mutter beugen musste. „… lies den Brief. Dein Vater war nicht tot… er war es jedenfalls nicht, nicht wirklich tot, damals. Ich weiss nicht, wie es jetzt ist, und ob man ihn noch retten kann…“
Die junge Frau spürte eine eiskaltee Wut in sich. „Wieso sagst du mir das erst jetzt? Wie konntest du mich über all die Jahre einfach so belügen?!“ Sie war ausser sich und schrie ihre Mutter an – ohne Rücksicht auf deren Zustand.
Eine Träne lief über das Gesicht der Verletzten. „Mondtau, es tut mir Leid. Ich verstehe, dass du wütend bist. Und dass du mir im Augenblick nicht verzeihen kannst.“ Sie schloss wieder die Augen und kämpfte darum, die letzten Worte sprechen zu können. „Der Brief und die Karte… du findest sie unter der grossen Vorratskiste, etwa zwei Handbreiten tief in der Erde vergraben, in einer kleinen Eisentruhe. Liebes…lebe dein Leben, so wie du es dir wünschst – aber trage Sorge zu dir. Ich bitte dich nur noch um eines…wenn du mir eines Tages verzeihst, so lege eine weisse Wildrose auf mein Grab. Damit mein Geist weiss, dass wir wieder versöhnt sind. Ich liebe dich und Domar…“
Sie schloss die Augen und gab den Kampf auf. Ein letzter, gequälter Atemzug und ihr Geist ging in das Land der Ahnen über.
Im ersten Augenblick konnte Mondtau nicht weinen. Zu wütend war sie. Sie hatte um ihren Vater getrauert und ihn für tot gehalten. Konnte es wirklich sein, dass ihre Mutter sie über so viele Sommer hinweg einfach angelogen hatte? Oft waren sie im Dorf des Clans gewesen, und nie hatte jemand etwas gesagt… alle hatten sie erzählt, ihr Vater wäre im reissenden Fluss ertrunken. Und nie hatte sich ihre Mutter darum bemüht, den Vater zurückzuholen?!
Der Wolf an ihrer Seite drückte seinen Kopf gegen ihr Bein und fiepte mitfühlend. Wenn er auch die Worte nicht verstanden hatte, so spürte er doch die Aufruhr in seiner Freundin und wusste, dass ein Mitglied seines Rudels gestorben war.
Beinahe unwirsch schob Mondtau das Tier zur Seite. „Lass mich jetzt, Mikel.“
Noch bevor sie sich um ihre tote Mutter kümmerte, eilte sie zu der schweren Vorratstruhe am Rande der Höhle und zog sie mühsam zur Seite. Das Erdreich darunter war festgepresst und erst nachdem sie einen starken Ast geholt hatte, gelang es ihr, die Erde zu lockern und zu graben. Wie besessen wühlte sie in der Erde und schon sehr rasch stiess der Stock auf Eisen. Hastig zog sie die Schatulle aus der Erde und öffnete sie. Während sie aussen von der Feuchtigkeit rostig war, war sie innen trocken und sauber. In Leine eingewickelt fand sie den Teil einer Karte und ein mehrere beschriebene, sorgfältig gefaltete Pergamentblätter.
Ihr Vater hatte ihrer Mutter das Lesen und Schreiben beigebracht und ihre Mutter hatte dieses Wissen – über das die Waldmenschen normalerweise nicht verfügten – auch Mondtau weitergegeben. So setzte sich Mondtau nun auf die Höhlenboden und las den Brief, der vor mehr als zehn Jahren von einem Zwergen geschrieben worden war. In krakeliger, schlecht lesbaren Handschrift und mit vielen Tintenkleckse.
Zuletzt von Mondtau am Di Mai 06, 2008 12:31 pm bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
Mondtau Stadtwache von Sturmwind
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Thema: Re: Aufgedeckte Lügen: Mondtau's Geschichte Di Mai 06, 2008 12:28 pm
„Verehrte Lillienblüte vom Clan der Weisen Schlange
Mein Name ist Hoggar Rotbart und ich gehöre dem Volk der Zwerge an. Sicher wundert Ihr Euch, dass Euch ein völlig fremder Zwerg schreibt. Aber Ihr werdet es gleich verstehen. Ich zog vor einiger Zeit aus, um das Tunnelsystem zu erforschen, welches das Land unseres Volkes mit dem Land der Drow verbindet. Ihr wisst wovon ich spreche – denn diesen sagenumwobenen Höhlen galt auch die Reise eures Gatten. Auf dem Weg traf ich auf ihn, und da wir grundsätzlich dieselben Ziele verfolgten, setzten wir die Reise gemeinsam fort. Wir kamen uns während dieser Tage immer näher, und Domar erzählte mir auch viel von Euch und Eurer Tochter. Es betrübt mich sehr, Euch zu schreiben, dass ich alleine von dieser Reise zurückkehrte.
Nun wollt Ihr sicher wissen wie es dazu kam und was aus Eurem geliebten Gatten geworden ist:
Im Gegensatz zu Eurem Gatten hatte ich nicht nur die Mythen und Sagen, die mich führten, sondern auch den Teil einer Karte, die seit Generationen in meiner Familie war. Nach dem schwierigen und gefahrvollen Weg durch die Sümpfe fanden wir anhand dieser Karte einen Eingang zu dem Höhlensystem und gelangten in die Tunnels. Viele Gänge und Türen sind in diesen Höhlen durch Magie gesichert – auch durch schwarze Magie, die furchtbare Schäden anrichten kann. Alleine wäre ich nicht sehr weit gekommen, denn ich beherrsche keine Magie. Aber euer Gatte konnte uns Türen öffnen, gesicherte Wege erschliessen und so drangen wir immer tiefer in die Geheimnisse dieser wunderbaren, alten Region vor. Doch dann geschah es – wir betraten eine geheime Kammer. Domar ging voraus und meinte, alle magischen Dämme gebrochen zu haben. Aber er täuschte sich. Die Kammer war durch einen ganz besonderen, schrecklichen und wohl uralten Hexenzauber gesichert, von dem auch er zuvor wahrscheinlich noch nie gehört hatte. Euer Gatte betrat also einige Schritte vor mir diese Kammer, in der uralte Dokumente und Bücher gelagert waren. Als er die Mitte des Raumes erreichte, erfasste ihn der alte, magische Bann.
Verzeiht, wenn ich Euch nun Schmerzen bereite, aber ich denke, Ihr wollt die Wahrheit wissen, und es fällt mir nicht ein, wie ich es Euch schonender übermitteln könnte: Domar erstarrte durch diesen magischen Bann zu Stein. Es erfasste ihn rasend schnell, begann an den Füssen, über die Beinen bis es den Kopf erreichte. Er konnte kein Wort mehr sprechen und sah innert wenigen Augenblicken aus, wie eine jahrtausend alte, steinerne Statue.
Nun fragt ihr Euch sicher, weshalb dieser Zwerg, der Euch schreibt, denn Eurem Mann nicht geholfen hatte, ihn nicht wenigstens aus diesen Katakomben brachte? Eine berechtigte Frage. Aber leider erfasste auch mich der Fluch oder Bann – ich weiss bis heute nicht genau, was es war. Da ich aber etwas weiter weg war, erreichte er nur meine Beine. Ich stürzte mit steifen, steinernen Füssen, Unterschenkeln und Knien zu Boden. Auch unter den besten Umständen wäre es wohl einem Zwergen alleine kaum möglich gewesen eine mannsgrosse Statue aus Stein zu schleppen. Aber ich denke, ich hätte es versucht. Doch so behindert, war es absolut undenkbar. Ich entschloss mich, den Weg nach draussen zu suchen und Hilfe zu holen. Es gelang mir, aus den Höhlen zu entfliehen. Ich spare Euch und mir die Beschreibung, wie schwierig es war, mich mit diesen steinernen Beinen vorwärts zu schleppen, und dies in einer Region, in der es vor Gefahren nur so wimmelte. Jedenfalls – irgendwie gelang es mir. Irgendwo unterwegs zog ich mir am linken Arm eine kleine Verletzung ab. Es war nichts Tragisches und ich kümmerte mich darum nicht, versorgte die Wunde auch nicht. Ich hatte wahrlich genug andere Probleme als ein Kratzer!
Doch dieser Kratzer wurde mir zum Verhängnis. Ich erreichte den Höhlenausgang, schleppte mich weiter, bis ich von einem Jäger meines Volkes gefunden wurde. Er brachte mich in sein Dorf. Zu diesem Zeitpunkt war ich schon sehr krank. Der Kratzer hatte sich entzündet und ein böses Wundfieber tobte in mir. Ich war schon nicht mehr richtig bei Sinnen als der Jäger mich fand. Der Heiler in diesem Dorf sah, wie ernst es um mich stand und nahm mir den verletzten Arm ab. Er sah darin die letzte Möglichkeit, mein Leben zu retten. Aber es war zu spät, fürchte ich. Der Wundfrass ging in die Schulter über, und meist liege ich schwach vor Fieber in meinem Lager, geplagt vom Schmerz, der Schwäche und dem Wissen, dass ich keine richtigen Beine und keinen linken Arm mehr besitze. Und dass ich nicht mehr die Möglichkeit habe, Domar irgendwie zu helfen. Das Dorf hier ist klein und die Leute glaubten zuerst, ich spräche im Fieber, als ich über die Höhlen und euren Mann berichtete und sie um Hilfe für ihn bat. Als sie merkten, dass ich die Wahrheit sprach (meine Beine bewiesen es ihnen ja), schlugen sie jede Hilfe ab. Sie wissen zwar, dass diese Höhlen existieren und hätten mit Hilfe der Karte auch den Eingang gefunden. Alleine, es fehlt ihnen an Mut und Wissen, ein solches Unternehmen zu wagen. Wer bin ich, es von ihnen zu verlangen?
Ich schreibe euch diesen Brief in meinen lichten Momenten, im Wissen um den baldigen Tod. Dank den Heiltränken des Heilers hier habe ich Augenblicke, in denen meine Kraft und mein Verstand ausreichen, die Feder zu führen. Sollte ich das Wundfieber widererwarten überleben, so werde ich alles daran setzen, Domar zu helfen und ihn aus den Höhlen zu bringen. Hört Ihr nichts mehr von mir, so bin ich – wie ich es erwarte – an diesem lächerlichen Kratzer gestorben.
Euer Gatte war ein grossartiger Mensch, tollkühn und klug zugleich. Er hatte oft sein Schmerz darüber geäussert, Euch und Eure gemeinsame Tochter für diese Reise, für seine Neugierde – sein Egoismus, wie er es nannte – alleine zu lassen. Doch das Wissen ist eine Sucht, welcher er erlegen ist. Ich bin sicher, seine letzten Gedanken galten Euch. Selten habe ich einen Mann so liebevoll und voller Bewunderung von seiner Familie sprechen hören, wie Domar es auf unserem gemeinsamen Weg tat.
Ich verstehe nur wenig von Magie, aber so viel ich weiss, gibt es für jeden Zauber, für jeden Fluch und für jeden Bann einen Gegenzauber. Ich glaube auch fest daran, dass euer Gatte nicht tot ist. Die Versteinerung erfolgt so schnell, dass er nicht gelitten hat und nicht erstickt ist. Ich vermute, er ist ganz einfach nur versteinert und könnte durch einen entsprechenden Gegenzauber wieder zum Leben erweckt werden, so dass er nach seiner Verwandlung wieder gesund und bei Sinnen ist, genau so, wie er es war, als ihm den Fluch traf. Möglicherweise gibt es Magier oder Hexenmeister, die den Gegenzauber kennen. Möglicherweise ist die Antwort auch in einem der vielen Bücher und alten Schriften zu finden, die in jener Kammer lagern. Ich bin nur ein einfacher Zwerg, fürchte ich, und weiss es nicht. Aber ich lege diesem Brief meine Karte bei und eine Beschreibung, wie diese Kammer zu erreichen ist. Vielleicht könnt ihr Hilfe für Euren Gatten finden. Aber seid Euch über eine Sache im Klaren: Wen immer Ihr auch darum bittet: seid Euch bewusst, dass die Reise unendlich viele Gefahren birgt und Ihr seinen Tod in Kauf nehmt, wenn ihr ihn durch die Sümpfe und in diese Höhlen schickt. Domar und ich, wir haben die Gefahren beide unterschätzt. Wagemut und Neugierde wurde unser Verhängnis.
Ich habe während mehreren Tagen an diesem Brief geschrieben. Die wachen Phasen wurden trotz immer stärkerer Medizin immer kürzer und ich spüre, wie mich jetzt auch die letzte Kraft verlässt. Ich werde die Papier nun den Leuten hier übergeben und sie darum bitten, den Brief Euch zu überbringen. Ich vertraue den Leuten meines Volkes und glaube daher, dass Euch dieser Brief erreichen wird. Ich hoffe, er bringt euch nicht nur Schmerz, sondern vielleicht auch Hoffnung.
In tiefer Verbundenheit und mit grossem Respekt vor Ihrer Kraft Euer“
Zuletzt von Mondtau am Di Mai 06, 2008 12:30 pm bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
Mondtau Stadtwache von Sturmwind
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Thema: Re: Aufgedeckte Lügen: Mondtau's Geschichte Di Mai 06, 2008 12:29 pm
Die Handschrift wurde gegen Ende immer schlechter lesbar und die Unterschrift war überhaupt nicht zu entziffern. Mondtau zweifelte nicht daran, dass sie „Hoggar Rotbart“ lautete. Die junge Frau verspürte tiefes Mitleid mit dem Zwergen, der während des Schreibens kurz vor seinem Tod stand.
Der Tod… erst jetzt wurde sie sich wieder bewusst, wo sie sich befand und was geschehen war. Sie blickte zum Laubbett. Der tote Körper ihrer Mutter lag unverändert dort, Mikel hatte seinen Kopf auf Lilienblütes Arm gelegt, die Augen geschlossen und regte sich nicht. Es war offenbar seine Art, zu trauern. Plötzlich schwang sich geräuschlos eine grosse Eule in die Höhle. Nisha. Obwohl die Dämmerung noch fern und Nisha tagsüber normalerweise nicht aktiv war, musste sie gespürt haben, dass etwas in ihrem Schwarm nicht in Ordnung war. Sie liess sich neben Lilienblüte nieder, legte den Kopf schief und beäugte die Tote und stiess einen leisen Schrei aus.
Mondtau hätte später nicht sagen können, wie lange sie danach mit den Papieren in den Händen da gesessen hatten. Ihr Verstand schien sich ausgeschaltet zu haben und sie starrte nur einfach vor sich hin, während ihr Tränen über die Wangen rollten. Sie wusste nicht, um wen sie weinte. Um ihre Mutter, die einen sinnlosen Tod gestorben war? Um einen unbekannten Zwergen, der einen ebenso sinnlosen Tod gestorben war? Um ihren Vater, den sie immer für tot gehalten hatte, und dessen Schicksal vielleicht viel schlimmer als der Tod war? So sass sie wie im Schock da, bis plötzlich eine kalte Zunge über ihre Wange fuhr und ihr die Tränen wegleckte. Sie umschlang den Wolf mit den Armen und vergrub ihr Gesicht in seinem dichten Fell. Das Tier wartete geduldig, bis das Schluchzen seiner Freundin langsam verebbte.
Als sie nach einer Weile wieder zu ihrer Mutter blickte, sah sie Fliegen auf dem Gesicht. Mit einem Schrei sprang Mondtau auf. Sie verscheuchte die Fliegen, die sich allerdings wenig beeindruckt in der Nähe niederliessen und darauf warteten, sich wieder dem nach Blut riechendem toten Körper zuzuwenden. Die junge Frau wischte sich entschlossen die letzten Tränen von den Wangen. Sie konnte sich die Schwäche nicht länger leisten.
Mondtau schleppte mit Mikels Hilfe die Tote zu einem von Lilienblütes Lieblingsplätzen, gefolgt von der Eule. Dort schaufelte sie ein Grab, während die Dämmerung anbrach. Als sie fertig war, war längst tiefe Nacht. Sie ging zurück in die Höhle, fiel erschöpft auf ihr Lager und schlief sofort ein.
In den nächsten Tagen reiste sie in das Dorf des Clans der Weisen Schlange, unterrichtete den Clan von Lilienblütes Tod und kehrte mit dem Schamanen und ein paar wenigen, nahen Verwandten zurück zum Grab. Der Schamane vollzog all die Rituale, die man der Toten schuldete. Mondtau legte Blumen auf das Grab. Eine weisse Wildrose war nicht dabei. Ob sich ihre Mutter so kurz vor dem Tod bewusst gewesen war, dass in dieser Jahreszeit noch keine Wildrosen blühten? Aber selbst wenn der Wald voller weisser Rosen gewesen wäre – Mondtau hätte keine davon auf das Grab gelegt.
Sie hielt die vorgeschriebene Trauerzeit ein. Der Mond wurde viermal voll während sie nur das Nötigste jagte und die wichtigsten täglichen Arbeiten verrichtete. Ansonsten widmete sie sich während dieser Zeit dem Grabstein. Sie suchte während mehreren Tagen nach einem passenden Fels, schlug daraus in schweisstreibender Arbeit einen Stein in der richtigen Grösse und bearbeitete diesen während Wochen sorgfältig. Zum Schluss war darauf eingehämmert eine Blume zu sehen. Mondtau war keine grosse Künsterin und besass nicht die Erfahrung oder das Geschick eines Steinmetzes, doch sie hatte so viel Geduld und Zeit darauf verwendet, dass eine recht schön gehauene Lilie zu erkennen war.
Als der Grabstein auf dem Grab platziert war und die vier Monde vorbei waren, arbeitete sie intensiv daran, sich eine Reiseausrüstung zusammenzustellen. Sie legte einfach zu transportierende Vorräte an, sie suchte die beste Kleidung aus, schliff die Messer, beschaffte sich Sehnen und Nadeln um unterwegs Kleider zu flicken oder zur Not sogar Wunden zu nähen – kurz, sie tat einfach alles, was ihr einfiel, um für eine lange Reise gut gerüstet zu sein. Dann ging sie ins Dorf des Clans um sich zu verabschieden. Es waren während der Trauerzeit immer mal wieder Leute vom Dorf zu ihr zu Besuch gekommen. Sie hatten sich etwas um sie gekümmert (auch wenn Mondtau beteuerte, dass dies nicht nötig wäre) und einige ältere Frauen hatten ihr mehr oder weniger direkt erklärt, dass der eine oder andere junge Mann vielleicht bereit wäre, sie zu ehelichen – sofern sie natürlich wie ein normaler Waldmensch ins Dorf ziehen und die Pflichten einer Ehefrau übernehmen würde. Mondtau hatte die Angebote freundlich aber bestimmt abgelehnt. Die Waldleute hatten ein stark traditionelles Rollenbild, und Mondtau war ausserhalb dieser Gemeinschaft aufgewachsen. Sie wusste, dass die Angebote aus Sicht des Clans grosszügig waren, denn sie war nur zur Hälfte eine der Ihren. Aber den Rest ihres Lebens mit einer kleinen Schar süsser, rotznasiger Kinderchen, den Näharbeiten, dem Kochen und dem Tratsch im Dorf zu verbringen, war in ihren Augen ein Albtraum.
Mondtau hatte ihre Entscheidung längst getroffen. Nach dem Abschied vom Clan machte sie sich auf die Reise nach Brendia. Es war ihr klar, dass sie nicht alleine auf die Suche nach ihrem Vater gehen konnte und dass sie insbesondere jemanden brauchte, der über Kenntnisse der Magie verfügte. Auch wenn sie die Stadt hasste und nur schlechte Erinnerungen daran hatte, hoffte sie, dort die richtigen Reisegefährten finden würde. In ihrem sehr leichten Reisegepäck war nur das Nötigste und die Karte des Zwerges. Den Brief und die Beschreibung hatte sie in der Höhle zurückgelassen. Sie hatte beides so oft gelesen, dass sie die Texte inzwischen so gut wie auswendig kannte. Als sie nach mehreren Tagesmärschen den Waldrand erreichte und in der Ferne die Stadtmauern Brendias sah, bat sie Mikel, auf sie zu warten. Sie wollte es dem Tier nicht zumuten, sie in die Stadt zu begleiten. Sie umarmte den Wolf und ging alleine weiter. Sie war entschlossen, ihre Angst und Einsamkeit nicht zu zeigen. Nein. Sie würde selbstbewusst und sicher auftreten.
Die Torwachen liessen die Waldfrau problemlos passieren. Dann wandte sie sich in die Richtung einer Taverne. Am ehesten würde sie dort die Leute finden, die sie suchte.
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Thema: Re: Aufgedeckte Lügen: Mondtau's Geschichte